Drei Tage im burmesischen Niemandsland

Gibt es einen besseren Weg als ein Land zu Fuß zu erkunden? Drei Tage dauert die Wanderung von Kalaw zum Inle Lake im burmesischen Shan-Staat. Es ist nicht möglich, die rund 50 Kilometer auf eigene Faust zu bewältigen. Es gibt keine Wegweiser, die Pfade sind schwer zu finden, man würde sich mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit verirren. Aber mit unserem netten Guide und der kleinen Gruppe von fünf Leuten kommt es mir gar nicht vor wie eine organisierte Tour.

Wir starten Morgens und sind schon nach 10 Minuten mitten im Nichts. Wir laufen kleine Hügel hoch, überqueren kleine Waldstücke, Felder und Teeplantagen. Die Strecke ist nicht schwer, aber die Hitze killt mich. Unserem coolen Guide scheint das überhaupt nichts auszumachen. Trotz langer Hosen, Longsleeve und Hut, läuft er leichtfüßig ohne zu schwitzen voran.

Wir haben sogar einen eigenen Koch dabei, der uns auf dem Roller vorausfährt und uns mit drei Mahlzeiten pro Tag  versorgt. Dieser Junge freut sich jedes Mal unglaublich, weil wir sein Essen so mögen. Ich glaube, ich hatte auf diesem Trek das beste Essen in ganz Burma.

Am ersten Tag übernachten wir im Homestay, einem Haus von Einheimischen, das mitten im Niemandsland steht. Vier Matratzen nebeneinander auf dem Boden, Open Air-Dusche mit Regenwasser und Outdoor-Klo – kein Luxus, aber das authentische, ländliche burmesische Alltagsleben.

Der zweite Tag ist eigentlich der interessanteste. Sowohl von der Landschaft als auch von unseren Begegnungen mit den Burmesen. Die Hügellandschaft sieht zwischendurch ein wenig aus wie die Toskana – ohne jemals dagewesen zu sein, aber so ähnlich stelle ich mir das dort vor.

Wunderschön, aber das spannendste für mich sind die Eindrücke, die wir von den Einheimischen gewinnen. Wir laufen durch Dörfer, in denen die Zeit nicht zu existieren scheint. Die Leute hier sprechen einen Dialekt, der sich stark von der burmesischen Hochsprache unterscheidet, viele tragen Schwarz und bunte, karierte Schals, die sie um den Kopf wickeln. Ein cooler Style. Trotz stark limitierter Rucksack-Kapazität muss ich eine dieser hübschen, bunten Umhängetaschen kaufen, die hier viele tragen. Direkt vom Erzeuger – einer sehr alten Frau, die alles von Hand selbst webt.

Wir begegnen vielen Feldarbeitern und Bauern, und wirklich jeder strahlt und grüßt uns. Ochsenkarren und Hacken sind hier die Hilfsmittel. Die Leute leisten echte Knochenarbeit. Ihr Lächeln und ihren Humor haben sie aber beibehalten.

Es ist echt krass, wie viele junge Menschen – eigentlich fast noch Kinder – bei der schweren Arbeit mithelfen. Drei Mädchen im zarten Alter von geschätzt 12-14 Jahren hacken irgendwas auf dem Feld. Ich traue meinen Augen kaum. Sie sind so süß und jung arbeiten wie Erwachsene. Hier ist nichts mit Schulbildung bis man 18 ist. Ich bleibe einen Augenblick stehen, die Mädchen hören kurz auf zu arbeiten und wir gucken uns einen Moment ungläubig und interessiert an. „Minglaba!“ – der burmesische Gruß unterbricht kurz die Stille und die Mädchen packen wieder an.

Diese Menschen sind unglaublich!

Mein Gefühl schwankt zwischen Freude und Erschütterung.

Nichts kommt gekünstelt oder gefaked rüber, nur damit die Touristen ihre schönen Reisefotos machen können. Das hier ist 100% echt. Und die Leute scheinen sich zu freuen, uns zu sehen! Und dieses Echte und Aufrichtige, das man einfach spürt (glaub mir, nach fast 11 Monaten in Asien habe ich auch viele „fake smiles“ gesehen)  – das macht mich einfach unglaublich froh. Auf der anderen Seite tut es weh, zu sehen, wie einfach diese Menschen leben, wie wenig sie haben und  wie unglaublich hart sie arbeiten müssen, um zu existieren.

Es ist noch heißer als am Tag zuvor und ich muss zugeben, dass ich mich ein bisschen quäle. Aber irgendwann verfalle ich fast in einen meditativen Zustand, wo die Beine wie von alleine laufen. Die einfachen Reisebedingungen in diesem Land und das unerträgliche Klima (der April ist der heißeste Monat im Jahr) tragen dazu bei, dass ich ein wenig härter im Nehmen werde. Hitze, Müdigkeit, Anstrengung sind  irgendwann nur Sinneseindrücke.

In den Dörfern machen wir zwischendurch immer wieder kurze Tee-Pausen. Es ist auffallend, wie häufig man das Bild von Aung San Suu Kyi sieht. Sie ist auf Fotos, Plakaten, Kalendern, einfach überall. In Yangon sieht man sie eher selten, aber hier auf dem Land wird sie ganz offen verehrt. Keiner macht mehr einen Hehl daraus, Aung San Suu Kyi ist die Hoffnungsträgerin für dieses Land.

Am zweiten Abend wird es spannend: Wir verbringen die Nacht in einem buddhistischen Kloster. Also nicht direkt IM Kloster, aber in einem Nebengebäude. Wieder mal mitten in no man’s land. Es ist wunderbar ruhig. Der Komfort im Kloster ist ein höher als im Homestay in der Nacht zuvor. Es gibt auch hier keine Elektrizität und das Wasser für die „Eimerdusche“ muss man aus dem Brunnen selbst rausholen. Aber dafür sind die Matratzen dicker, wir haben mehr Platz und unser Koch kocht das beste Dinner, das ich auf meiner gesamten Burma-Reise hatte.

Es ist erstaunlich wie wenig man manchmal braucht, um absolut glücklich und zufrieden einzuschlafen.

Am dritten Tag laufen wir durch die absolute Pampa. Es gibt hier keine Dörfer mehr und kaum Menschen. Ab und zu kommt uns ein Individuum aus dem absoluten Nichts entgegen – ein bisschen wie in einem surrilen Western. Hier gibt es rein gar nichts, außer der trockenen Vegetation, knorrigen Bäumen und roten Staub. Und das massenweise. Als wir gegen Mittag am Ziel ankommen, bin ich über und über damit bedeckt.

Es war ein fantastischer Trek. Nicht zu hart (bis auf die Hitze, die mich fast umgebracht hat), die Landschaft war wunderschön, wir haben einen einmaligen Einblick in das ländliche Leben bekommen. Unser Guide war großartig, sprach gutes Englisch und konnte uns viele Fragen über Burma beantworten. Er war sehr glücklich über unser gutes Feedback.

Wir sind nicht mal eine Woche hier und uns wird klar: Wir fühlen das Land. Wir sind in Burma wirklich angekommen.

1 comment

  1. S. Lang

    Hömma, datt jahr is schon lange rum! Lass dich mal wieder in good old germany blicken!
    Lg in die Ferne