Jakarta – die stressigste Stadt der Welt

Als ich aus der auf Kühlschrank temperierten Mall auf die Straße trete, schlagen mir stickige Luft und Smog entgegen. Statt Jingle Bells dringen Motorengeräusche in meine Ohren, es müssen mehrere Tausend Motoren sein, unterbrochen von wildem Gehupe. Ich bin schweißgebadet, meine Sinne sind überfordert von den vielen Geräuschen und der Bewegung da auf der Straße. Mein indonesischer Freund Desta steuert ohne zu Zögern auf das nächste Taxi zu. Tür zu, wir sind safe. Durchatmen.

Jakarta

Willkommen in Jakarta!

Mit rund 10 Mio. Einwohnern in der Stadt und 28 Mio. in der gesamten Metropolregion ist Jakarta die größte Stadt Südostasiens. Was ich über Jakarta gehört habe, klang nicht sehr verlockend. Es gäbe keine Bürgersteige. Es sei nicht möglich, sich zu Fuß fortzubewegen. Smog, Lärm, Verkehr und Verschmutzung machen diese Stadt unterträglich. Eine urbane Betonwüste voller Hochhäuser und Slums am Stadtrand, grau, düster und ohne Sonnenschein. Wenn nur irgendwie möglich, sollte man Jakarta vermeiden.

Klingt interessant. Ich will sehen, ob da was dran ist!

Viel Zeit habe ich nicht, gerade mal zwei Nächte, bevor mein Flug geht. Für einen Jakarta-Neuling eine ausreichende Dosis.

Die Zugfahrt von Yogyakarta verläuft noch ganz entspannt. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich das typische Java-Landschaftsbild… Reisfelder, Dörfer, Hügel… bisher ist alles noch sehr hübsch.

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Um die Mittagszeit stürmen Snackverkäufer die Zugabteile. Man muss sich nicht mal aus seinem Sitz bewegen, um Getränke, ein Mittagessen, Obst und Kaffee zu bekommen. Das Sortiment schlägt die Schokoriegel und Coca Cola-Wagen bei der DB um Längen.

Am Bahnhof in Jakarta stürzen sich sämtliche Taxifahrer auf mich. Jaksa, Jaksa!? Puh, es ist doch überall das Gleiche! Für 2 Euro lasse ich mich von einem Bajaj, einer Art indonesischem Túk-Túk bis zur Jalan Jaksa, der einzigen Budget-Meile in Jakarta bringen. Kaum ausgestiegen werde ich direkt wieder vom Nächsten angequatscht. Cheap room, 90.000 Rupiah? Jaja, zeig erstmal her das Ding. Er läuft mit mir in die nächste Bar. Häh?? Wir laufen hinter dem Tresen die Treppe hoch, vorbei an allem möglichen Gerümpel. Das Zimmer ist ohne Fenster. Aber sonst tadellos. Warum nicht mal über einer Bar schlafen?!

Ich werde direkt zu einem Tisch in der Bar dirigiert, ein Willkommensbier mit dem Besitzer muss drin sein. Ermattet nach der langen Reise kann ich eh keinen großen Widerstand mehr leisten. Auf ein Bier, ok. Der Besitzer ist ein netter Mann, sein kleiner Sohn schwirrt um uns herum. Eine Stunde später kenne ich seine ganze Lebensgeschichte. Und habe einen guten Liter Bali Hai (die Alternative zum nationalen Lieblingsgebräu Bintang) intus. Er bietet mir einen Job in seiner Kakaoverarbeitungsfabrik an. Die sind doch echt alle verrückt hier. Am Tisch komme ich mit zwei skandinavischen Mädels ins Gespräch, die mir versichern, die beste Unterkunft auf der Jaksa gefunden zu haben. Alles andere sei teuer und ranzig. Sie kommen übrigens gerade aus Bali. Fahren aber bald wieder hin. Immer die gleiche Geschichte!

Ich versuche, irgendwo auf der Straße was zu essen zu finden. Neben mir hocken ein paar Männer, die definitiv nicht javanisch sind, aber Indonesisch sprechen. Sie sind aus Papua, wie ich ein Paar Sekunden später erfahre, und sie sind in Jakarta wegen ihres Business. Sie schauen so anders aus. Und sie sind auch ein wenig „anders“. Als ich mein Essen bezahlen will, zeigt der Junge auf die Leute aus Papua … „Done already…“ Was?! Spinnen die, ich kenn sie gerade mal 5 Minuten! Ich protestiere schwach, aber die Papuaner unterbinden das schnell. Ich bin Gast in ihrem Land und das passt schon. Okaaayyy….. Sie wünschen noch einen schönen Tag und alles ist gut. Ich wusste es. Die Indonesier sind alle verrückt. Total lieb aber definitiv irre.

Am nächsten Tag lautet meine Mission: Neues Netzteil / Ladekabel für Computer finden. Ich frage die Mädels an der Rezeption. Sie haben keine Ahnung. Beim Frühstück komme ich ins Plaudern mit einem Local, der mir ein Geschäft in der Nähe nennen kann. Ich muss mich durchfragen, bis ich es finde. Aber es gibt leider kein Ladekabel. Demotiviert kehre ich in die Bar zurück. Ich setze mich zu den Norwegerinnen und zwei Indonesiern. Wie soll man in Jakarta bloß ein Ladekabel finden? Jakarta ist nicht Hamburg, wo man einfach in den Saturn auf der Mönckebergstraße rennt. Desta, einer der indonesischen Jungs weiß wo ich es bekomme. Da es aber nicht so einfach sei, hinzukommen, bietet er mir an mitzufahren. Nein, es bereite gar keine Umstände, er habe heute eh nichts vor. Ist das nicht großartig?!

Die Jaksa-Gegend ist eine der ruhigeren Viertel in Jakarta. Das merke ich spätestens jetzt. Autos, Bajajs, und Roller versuchen sich auf achtspurigen Highways gegenseitig zu überholen und quetschen sich in jede Lücke. Ich wäre ohne meinen Indo-Escort-Service (seinen Namen weiss ich leider nicht mehr) völlig aufgeschmissen. Es gibt in Jakarta keinen Stadtkern, keinen Orientierungspunkt. Es ist eine einzige Betonwüste, die sich über Dutzende und Dutzende von Kilometern erstreckt. Alles schaut gleich aus. Grau und ein wenig trostlos.

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Jakarta

Nach mehreren Fahrten mit Taxi, Bajaj und Bus kommen wir in einer riesigen Mall für Elektronikbedarf an. Und ich bekomme mein Kabel.
Ich brauche ein neues T-Shirt, denn meine Klamotten fallen langsam auseinander. Wir fahren in die nächste Mall. Westliche Geschäfte, Fresstände mit Hotdogs, Eiskrem, Kaffee und Bubble Tea in Riesenbechern und anderem Junkfood, alles blinkt und glitzert, die Aircon läuft auf höchster Stufe, nervige Musik dröhnt aus Lautsprechern, in der Mitte steht eine riesige Weihnachtsdeko. In einem muslimischen Land?! Die amerikanisierte Seite von Jakarta. Aber irgendwie ist alles eine Nummer zu schrill, zu bunt, übertrieben, zu viel von allem. Und das ist wiederum sehr asiatisch!

Die Reizüberflutung in den Shopping-Malls und der verrückte Verkehr rauben mir Energie. Aber ich bin nicht die einzige. Die Leute auf der Straße und in den Bussen sehen ebenfalls ein wenig fertig aus. Für das  bisschen Sightseeing, das Jakarta zu bieten hat – wie z.B. das alte holländische Kolonialviertel oder Chinatown – fehlt mir die Lust. Wir fahren zum Platz der Unabhängigkeit und hocken uns direkt vor Monas, das nationale Denkmal und sowas wie Wahrzeichen der Stadt, eine 130 Meter hohe Säule mit einer goldenen Flamme auf der Spitze. Chillen auf der Parkbank, nach mehr ist mir nach diesem Tag nicht!

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Jakarta ist anstrengend. Wenn man sich hier nicht auskennt, ist man verloren. Es ist keine Stadt für Sightseeing oder zum Entspannen. Kein Wunder, dass die meisten Leute schnell weiterfahren. Es gibt nichts zu sehen oder zu tun und dennoch behalte ich Jakarta in nicht ganz so schlechter Erinnerung. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen machen Jakarta (zumindest für 2 Tage) erträglich. Erstaunlich, dass die Leute in einer der stressigen Städte der Welt stets ihr Lächeln behalten.